Viviane in Kapadokien mit Heißluftballonen

Versteckte Perle – Pferderanch Kappadokien

Viviane frägt nach der ersten Mitfahrgelegenheit

An diesem Tag werden wir viel Zeit im Auto verbringen. Unser Ziel war es, Kappadokien noch am selben Tag von Antalya aus zu erreichen. Wir machten uns wieder auf den Weg, um zu trampen.

Es dauerte fünf Minuten, bis ein Auto anhielt. Nicht gerade das, wonach wir gesucht hatten: ein Kleinbus. Wir hatten diese Situation schon einmal und wussten genau, dass sie Geld für das Mitfahren verlangen würden. Aber wir wurden überrascht, da wir diesmal umsonst mitgenommen wurden.

Der Minibus war leer. “Mein Name ist Irfan, aber ihr könnt mich Eddy nennen”, sagte der Fahrer. Normalerweise arbeitete er mit Touristen, aber da es momentan keine gab, benutzte er das Auto einfach als Privatfahrzeug.

Als er erfuhr, dass wir Deutsche sind, fing er plötzlich an, mit uns Deutsch zu sprechen. Er war früher ein deutscher Reiseleiter gewesen und lernte innerhalb von drei Jahren die deutsche Sprache. Um diese nicht zu vergessen, liest er noch immer viele deutsche Bücher und sieht sich Filme auf Deutsch an. Wie beeindruckend! Er sprach unsere Sprache mit einem leichten Akzent, aber wir genossen es, uns ausgiebig in unserer Muttersprache mit jemand Fremden zu unterhalten.

Er teilte uns mit, dass wir Glück hätten, denn er würde nur internationale Anhalter mitnehmen und Keine türkischen Fremden mehr. Das machte uns auf die Geschichte neugierig, die hinter dieser Einschränkung stand.

Er erzählte uns, dass er einmal von einem türkischen Mann ausgeraubt wurde und das Schlimme war, dass er diese Person sogar kannte. Als er damals den Anhalter mit dem erhobenen Daumen sah, hielt er an, da er dachte, diese Person kenne ich doch und wollte natürlich helfen.

Als jedoch der Fremde hinter ihm saß, griff dieser plötzlich nach seinem versteckten Messer und hielt Eddy die scharfe Klinge an die Kehle. Er raubte Eddy aus und nahm alle seine Habseligkeiten mit. Eddy hat immer noch eine Narbe an seiner Kehle, die wir sehen konnten. Auch ein gefühlloser Finger blieb bis heute von dem Versuch, das Messer von seiner Kehle wegzuziehen, zurück.

Der Täter wurde zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt, doch Eddy hat ihm verziehen. In der Türkei werden Gefangene, nach einer Vergebung, wieder freigelassen. Die Freiheit währte jedoch nicht sehr lange. Er kam wieder ins Gefängnis, da er ein weiteres Verbrechen beging.

Anscheinend kann man in der Türkei für einen Raubüberfall eine höhere Strafe bekommen als für einen Mord. Auf diese Weise versucht das Land, die Zahl der Verbrechen niedrig zu halten. Gruselige Geschichte!

Eis und Chips zum Mittagessen. Es gab nichts als nur eine Tankstelle vor unserer nächsten Autofahrt.. Da man nicht weiß, wann wir die nächste Essensgelegenheit bekommen, haben wir uns damit eingedeckt. Besser als nichts. Wir konnten ja nicht wissen, dass unsere nächste Trampmöglichkeit so großzügig sein würde.

Zunächst sah es so aus, als ob Yasin nicht für uns anhalten würde. Obwohl er schon 400m an uns vorbeigefahren war, setzte er einfach wieder zurück d.h. also rückwärts auf der Autobahn!

 

Eddy nahm uns mit seinem Bus mehrere Kilometer mit

Wir stiegen ein und unterhielten uns über Google Translate mit Yasin. Er erzählte uns, dass er für den Obst-Export zuständig ist und dass sein Bruder im Gefängnis sitzt. “Er war in zu vielen Schlägereien verwickelt”, meinte er. Das Gespräch über seinen Bruder machte Yasin traurig.

Ansonsten war er aber lustig und genoss es, Zeit mit uns zu verbringen. Er hielt an einem Straßenrestaurant an, um mit uns essen zu gehen. Wir aßen “Corba” (Suppe) und “Köfte” (Fleischpasteten) mit Ayran, Tomaten und vielem mehr. Wir wollten uns nur einen Teller von jedem teilen, aber Yasin bestellte einfach weiteres für uns. Nach dieser Mahlzeit waren wir echt satt. Wie so oft in der Türkei hatten wir auch diesmal keine Chance zu bezahlen.

Zurück im Auto fuhren wir etwa eine Stunde lang, bis wir an der Kreuzung anlangten, wo sich unsere Wege trennten.

Yasin kaufte an der Tankstelle Nüsse für uns

Es war schon spät und wir mussten uns beeilen, um vor Einbruch der Dunkelheit in Kappadokien zu sein. Schließlich waren wir immer noch 200 km von der Grenze entfernt. Aber Yasin fragte uns, ob wir ihn nicht noch zum Tee begleiten wollten. Besser gesagt, er hat es sich gewünscht.

Wir stimmten einem schnellen Tee zu. Aber es kam nicht nur Tee auf unseren Tisch, sondern für jeden von uns auch noch Milchreis. Er wollte unbedingt, dass wir ihn probieren. Gut, dass Bastian und ich gute Esser sind. Ablehnen wäre unhöflich gewesen.

Wir bedankten uns herzlich und waren traurig, dass wir uns nun verabschieden mussten. Diese Art von Gastfreundschaft ist manchmal schwer zu akzeptieren, aber wir lernen es anzunehmen.

Wir haben 9 verschiedene Anhalter gebraucht, um von Antalya nach Kappadokien zu kommen und das alles an einem Tag!

Bei der letzten Mitfahrgelegenheit nach Kappadokien überwältigte uns der Blick auf die typischen kappadokischen Steinhäuser. Viele waren wie Höhlen in die Felsen gebaut mit lauter kleinen Öffnungen als Fenster. Wir fühlten uns wie im Märchen, als wir schließlich auf der Pferderanch abgesetzt wurden, auf der wir für zehn Tage arbeiten wollten. 

Die Ranch befand sich auf einem verlassenen Fleckchen Erde, weit weg von allen anderen Häusern. Der traumhaft angelegte Hof war ebenfalls teilweise in einem ausgehöhlten Felsen gebaut. Die Koppeln für die Pferde befanden sich draußen sowie die freilaufenden Hühner. Die Ziegen waren in einem großflächig gebauten Stall mit riesigem Auslauf untergebracht. Helene, Nico und Pablo besitzen 25 arabische Pferde, 15 Ziegen, 18 Hühner, 5 Katzen, 2 Hunde und einen Garten voller Gemüse.

Die Besitzer Helene und Nico zeigten uns die kleine Höhle, in der wir schlafen würden. Es war eine Höhle in einem dieser zuckertütenförmigen Steine hinter dem Hof.

Die Beiden hatten sie selbst ausgehöhlt, ein Bett hineingestellt, eine Dusche und eine Trockentoilette installiert. Eine Trockentoilette ist keine Toilette, wie man sie erwarten würde, sondern es gibt nur einen Eimer und man bedeckt sein Geschäft mit Sand. Wenn der Eimer voll ist, leert man ihn irgendwo weit weg vom Hof. Und das war jetzt unser Gemach für die nächste Zeit.

In der Höhle gab es kein Fenster, nur kleine Ritzen in der Holztür gaben morgens etwas Licht. Es war aber immer schön kühl und man war, wegen der vielen kleinen Spinnen und Insekten, nie alleine. Aber da man eh nichts sah, störte uns das auch nicht weiter 😊

Die Katzen und Hunde folgten uns abends immer zu unserer Höhle. Sie wussten aber genau, dass sie nicht mit rein durften. Also schliefen sie die ganze Nacht vor der Tür.

In der ersten Nacht bekam ich einen Schreck, als ich nach draußen auf die “Toilette in der Natur musste”, die leider schon “besetzt” war. Ohne Brille ging ich nach draußen und plötzlich rannte ein schwarzes Wesen auf mich zu. Ich rannte zurück in die Höhle, schrie und schlug die Türe zu… Erst nach kurzem Nachdenken wurde mir klar, dass es nur der schwarze Hund Tintin gewesen sein konnte 🙂

Tagesroutine auf der Pferderanch

Bastian Maria beim Ziegen Melken

Wir öffneten die Holztür unserer Höhle, ließen die Sonnenstrahlen herein und wurden von zwei aufgeregten Hunden freudig begrüßt. Das war unser üblicher Start in einen arbeitsreichen Tag bei Helene und Nico auf dem Hof.

Nach einem morgendlichen Lauf kümmerten wir uns um die Tiere und gegen 7:30 Uhr wurden sie gefüttert. Die aufregendste tägliche Aufgabe war für uns das Melken der Ziegen.

Wir hatten das noch nie praktiziert. Nach zwei Tagen lernten wir endlich die richtige Technik. Die Ziegen waren sehr geduldig mit uns, denn wir brauchten doppelt so lange als Helene. Sie brachte uns dann noch bei, wie man Ziegenkäse herstellt.

Um 8.30 Uhr war Frühstück angesagt. Die Mahlzeiten waren immer ein Highlight, da alles Gemüse frisch aus dem Garten geerntet wurde. Milch und Eier kamen von den Tieren des Hofes und die Produkte wie Brot, Gelee, Tahinicreme und Käse waren selbst gemacht.

Nach dem Frühstück begann die harte Arbeit. Entweder Gartenarbeit, wie Kartoffeln, Zwiebeln, Tomaten, Gurken, Karotten und Paprika ernten oder die Tierställe ausmisten. Wenn noch Zeit war und wir noch Kraft hatten, füllten wir Gerste in 40 kg Säcke und brachten diese als Wintervorrat in eine Hütte. Zwischendurch spielten wir mit Helenes und Nicos Sohn Pablo und sprachen mit ihm Englisch. Wir genossen es, in alle täglichen Aufgaben mit einbezogen zu werden.

Kappadokien besteht aus vielen verschiedenen Tälern, die alle etwas unterschiedlich sind. Das eine ist sehr grün und hat viele Obstbäume, das andere besonders weißes Gestein und das wohl bekannteste hat Steinformationen wie Penisse. Doch eines haben alle Täler gleich: in den seitlichen Felswänden der Täler befinden sich überall kleine Aushöhlungen, die als Fenster für die darin versteckten Höhlen dienen.

Schon vor 2800 Jahren bauten die Menschen all diese Höhlen und kleine Tunnel, um die Räume miteinander zu verbinden. Anscheinend lebten Menschen schon in der Bronzezeit in den Höhlen und vielleicht sogar noch früher.

Manche Höhlen waren deutlich als Kirchen zu erkennen. Meist katholische, welche in der katholischen Zeit der Türkei entstanden. In den Kirchen erkannten wir Bilder von Propheten und heiligen Männern in den Wandmalereien. Aber alle ihre Gesichter und die Bibeln in ihren Händen waren mit Kratzern zerstört. Im Islam ist es verboten, heilige Menschen und ihre Gesichter zu malen. In keiner einzigen Moschee gab es entsprechende Bilder. Als die Zeit des Islams in der Türkei begann, fingen Gläubige an, die Bilder zu zerstören.

Wir entdeckten in den verwinkelten Höhlen viele spannende Gemälde, große Räume mit Säulen aber auch so schmale Gänge, dass wir nicht hindurchpassten.

Bei einem unserer Erkundungswanderungen wollten wir in Göreme auf einem Aussichtspunkt den Sonnenuntergang genießen. Dass man aber für einen schönen Aussichspunkt, der durch die Natur entstand, Eintritt zahlen musste, wollten wir nicht einsehen. So suchten wir nach einem Weg, um das Eintrittsgeld zu sparen.

Wir fanden einen Weg und ihr könnt euch nicht vorstellen, wie steil dieser war. Selbst mit Hilfe unserer Hände war es fast unmöglich, dort hinaufzukommen. Irgendwann konnten wir einfach nicht mehr zurück und mussten einen Weg hinauf finden.

Alle Bäume, Sträucher und sogar das Gras hatten Stacheln. Aber es blieb uns nichts anderes übrig, als uns ab und zu an ihnen festzuhalten, um nicht abzustürzen. Die Stacheln in den Händen nahmen wir in Kauf. Wir hatten den Gipfel fast erreicht, als Bastian plötzlich wegrutschte.

Für eine Sekunde lang dachte ich, er würde den Steilhang hinunterfallen. Mir stockte der Atem. Und das nur, um ca. 2-3 € Eintrittsgeld zu sparen. Mein Puls hatte sich beschleunigt und ich konnte nur noch schreien.

Glücklicherweise konnte er einen der stacheligen Büsche greifen, und tatsächlich hielt der Busch seinem Gewicht stand.

Bastian hielt für ein paar Minuten inne, wir sprachen nichts. Jeder musste erst den Schreck verdauen. Worte waren da nicht notwendig. Wir wussten Beide, dass wir unsere Grenze überschritten hatten.

Obwohl ich mich über uns Beide ärgerte fühlte ich mich sehr befreit, als wir endlich oben waren. Ich versuchte Bastian von den Stacheln zu befreien.

Ein Farbenmeer von Heißluftballons

Die berühmten Bilder von Kappadokien mit den Heißluftballons zwischen all den Felsen im Red Valley wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Dafür planten wir eine Übernachtung am Rande des roten Tals, um am nächsten Morgen die Ballons im Sonnenaufgang zu sehen.

Um an unseren perfekten Schlafplatz zu gelangen, mussten wir querfeldein durchs Gestrüpp, durch Bäche und über viele Felsen klettern. Wahrscheinlich hätte es auch einen offiziellen Weg gegeben, doch wir hatten uns verlaufen. Irgendwie schafften wir es dann doch noch zu unserem Übernachtungsplatz auf einem Plateau, genossen unser eingepacktes Abendessen und gingen früh zu Bett. Wir wussten, die Ballons starten sehr früh.

Um 5.45 Uhr wurden wir von der Sonne und dem Geräusch des speienden Feuers unter den Ballons geweckt. Als wir den Reißverschluss des Zeltes öffneten, sahen wir, wie all diese riesigen Heißluftballons gerade starteten. Versteckt hinter den Felsen des Tales stiegen sie langsam nach oben, über den Grat hinaus, in den wolkenlosen Himmel.

Am Himmel war ein atemberaubendes Farbenspiel.  Was hatten wir für ein Glück, denn durch Corona waren seit vielen Wochen und noch bis vor 3 Tagen, das Fliegen mit den Heißluftballons verboten. Wir zählten an diesem Morgen etwa 30 Ballons und Bastian schoss mindestens 1000 Fotos.

Viviane in Kapadokien mit Heißluftballonen

Die Geschichte, wie diese versteckte Farm entstanden ist, ist definitiv erzählenswert und nicht unbedingt eine Unternehmensgründung nach europäischem Standard.

Nico kam mit der Idee nach Kappadokien, Reitausflüge anzubieten. Er konnte sich aber keine eigenen Pferde leisten. Er begann damit, die Pferde zu mieten, wenn er eine Anfrage bekam. Zusätzlich suchte er ständig nach einem Ort, an dem er sich niederlassen und eine Ranch mit eigenen Tieren und eigener Landwirtschaft betreiben könnte. Aber keines der verfügbaren Grundstücke entsprach seinen Vorstellungen. Also beschloss er, illegal, an einem Ort außerhalb der Stadt, zu bauen.

Ein Ort, den niemand sah und der keine Nachbarn hatte. Er begann, eine Höhle in einen massiven Felsen zu hauen und kaufte arabische Pferde. Natürlich fand die Polizei doch heraus, dass es eine Farm ohne legale Anmeldung gab. Aber seit 17 Jahren hat Nico immer einen Weg gefunden, sich mit ihnen durch etwas Bakschisch zu einigen.

Helene und Nico lebten jedoch immer in Angst, dass die Polizei ihnen eines Tages doch nicht mehr erlauben würde, dort zu leben.  Nicht registriert zu sein bedeutete auch, dass niemand den Müll abholte und dass es keine offizielle Adresse gab. Das erklärte auch die komplizierte Wegbeschreibung, die wir dorthin bekamen.

Nico lernte Helene kennen, als sie vor vielen Jahren mit ihrem Pferd an seinem Hof vorbeiritt. Damals durchquerte sie mit dem Pferd die Türkei. Jetzt leben sie zusammen als kleine Familie mit ihrem fünfjährigen Sohn Pablo.

Helene ist eine sehr mutige Frau. Sie reiste und trampte viel auf eigene Faust durch all die “gefährlichen” Länder wie Afghanistan, die Mongolei oder den Iran… und sie überlebte viele knifflige Situationen.

In Afghanistan lebte sie dann 6 Jahre lang und arbeitete an vielen verschiedenen Projekten und in gemeinnützigen Organisationen. Sie würde jederzeit zurückgehen und empfahl uns sehr, dort einmal hinzugehen.

Die wohl schönsten Arbeiten auf dem Hof waren, beim Reiten der Pferde zu helfen.

Einmal durften wir Beide mit auf einen Sonnenuntergangsritt, ein anderes Mal ritt ich mit Helene die Muttertiere von zwei Fohlen. Das Besondere daran war, dass die Fohlen uns freilaufend die ganze Zeit begleiteten. Sie genossen die Freiheit, wieherten und spielten miteinander. Auch ich genoss das Gefühl von Freiheit, als wir querfeldein durch die Steppe galoppierten.

An unserem letzten Tag gingen wir mit den Pferden schwimmen. Das Reiten auf einem Pferd im Wasser ist wie auf einer Wolke. Die Schritte oder Sprünge geschahen in Zeitlupe. Allerdings war der Pferderücken ohne Sattel sehr glitschig, so dass man seine Beine ganz schön fest zusammenpressen musste.  Wir hatten aber alle sehr viel Spaß dabei und waren patsch nass.

Wie immer bedeutete der Tag des Abschieds von einem Ort, dass sich eine Tür schließt, sich aber auch eine neue öffnet. Dieses Mal war es die Tür in Richtung Osten, nahe der syrischen Grenze.

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